25.09.2019 Vorsehung ohne Plan – Armin Schneider

Vorhersehung ohne Plan. Zu Hegels Geschichtsphilosophie

Eine gängige, oft wiederholte Kritik richtet sich an den vermeintlich prognostischen Charakter der Hegelschen Geschichtsphilosophie. Die Geschichte verlaufe für Hegel nach einem vorherbestimmten Plan, weshalb es weder notwendig sei zu handeln, um den an sich schon notwendigen Gang der Geschichte (oder der Revolution) zu realisieren, noch sei es möglich zu handeln, um den Lauf der Dinge zu ändern.

Diesem Klischee liegt ein ebenso wesentliches wie wesentlich komplizierteres Problem zugrunde, das Hegel [in der Einleitung seiner Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte (1830)] in dem einfachen Gedanken formuliert, „daß die Vernunft die Welt beherrsche, daß es also auch in der Weltgeschichte vernünftig zugegangen sei“ – in anderer, religiöser Form: „daß eine Vorsehung die Welt regiere“. Hierin liegt die eigentliche Herausforderung der Geschichtsphilosophie Hegels: In der intimen Verschränkung von Vorsehung und Weltgeschehen, Providenz und Weltgeschichte.

Der Vortrag wird diesem Problem der Providenz in Hegels Geschichtsphilosophie nachgehen, um es zwischen zwei möglichen Perspektiven auf unsere heutige Gegenwart zuzuspitzen: Die eine Position greift auf die frühchristliche „providentielle oikonomia“ zurück, um mit ihr die [scheinbar säkularisierte] Logik der modernen „Regierungsmaschine“ oder „Oikodizee“ zu entschlüsseln (Agamben, Vogl). Die andere Position forciert die Modernität von Hegels Affirmation göttlicher Providenz, um aus ihr eine neue Konzeption des (freien) Handelns zu gewinnen (Ruda).

Dies wird zu der Frage führen: Ist die Vorsehungin Hegels Geschichtsphilosophie Zeichen eines problematischen Erbes oder doch eine affirmativ mobilisierbare Ressource? Lässt sich die verhängnisvolle Implementierung christlicher Providenz-Ökonomie in moderne Regierungstechnik anhand von Hegels Geschichtsphilosophie in exemplarischer Reinform nachvollziehen? Oder bringt Hegel den Begriff der Vorsehung nicht vielmehr zu einer Öffnung, zu dem Punkt, an dem sich offenbart: Der einzige göttliche Plan, den es gibt, ist, dass es keinen göttlichen Plan gibt?

Armin Schneider

Armin Schneider (Berlin) hat Kultur-, Medien- und Musikwissenschaft in Berlin, New York und Leipzig studiert. 2018 hat er sein Studium mit einer Arbeit über Ökonomie und Arbeit in Hegels Systementwicklung abgeschlossen.